Lesen im Deutschunterricht: multimodal – digital – hybrid – mehrsprachig?
Lesen im Deutschunterricht: multimodal – digital – hybrid – mehrsprachig?
Lesen gilt als eine der Grundfertigkeiten im Spracherwerb. Literacy im weiteren Sinne bezieht sich auf das Spektrum all jener Kompetenzen, die als Lesen von sprachlichen, nichtsprachlichen, räumlichen, sozialen und kulturellen Bedeutungen im Sinne Paulo Freires Motto „reading the word and the world“ zu verstehen sind. Im Kontext der zunehmenden Verwendung digitaler Medien und damit verbundener neuer Lesegewohnheiten steht die Lesedidaktik vor neuen Herausforderungen.
In diesem Vortrag werden fünf zentrale Komponenten eines zeitgemäßen Lesebegriffs diskutiert: (1) die enge Verbindung von Leseaktivitäten mit Praktiken des Schreibens, (2) die Verknüpfung von Sprache mit anderen Formen der Bedeutungsvermittlung wie Bilder, Farben, Layout (Multimodalität), (3) die Anbindung an Alltagspraktiken der Lernenden und den Gebrauch digitaler Medien (Digitalität), (4) die Vernetzung von Texten, Textsorten, Genres und Medien (Hybridität) und „Textwelten“ in verschiedenen medialen Kontexten sowie (5) lebensweltliche Erfahrungen der Lernenden mit Mehrsprachigkeit bzw. sprachlicher Diversität und Translingualität als Prozesse der Überschreitung der Grenzen von Sprachen, Genres und Medien. Ausgehend von einem offenen, multimodalen Textbegriff und kritischen Überlegungen zur Abgrenzbarkeit einzelner „Sprachen“ können Sprach- und Literalitätserwerb wie auch (literarisches) Lesen als Prozesse ohne fixe Endpunkte angesehen werden. Texte, ihre Bedeutungen und die Lesenden selbst befinden sich in einem stetigen Prozess des Werdens („becoming“).
Um die Aufmerksamkeit der Lernenden auf verschiedene Bedeutungsdimensionen eines Textes zu lenken, wird das Modell MODIPLAC, entwickelt im Rahmen des Projekts My Literacies, als ein didaktisches Instrument vorgestellt, um Prozesse des Deep Reading und der kritischen Auseinandersetzung mit Texten unterschiedlichster Art zu fördern.
Plenarvortrag: Dienstag, 16. August 2022, 9 Uhr
Ort: Universität Wien Hauptgebäude (HG), Hörsaal 21 und Online