Einsprachige Mehrsprachigkeit. Über die „Internationalisierung“ der wissenschaftlichen Schreibkompetenz von Studierenden in der Wissenschaftssprache Deutsch
Einsprachige Mehrsprachigkeit. Über die „Internationalisierung“ der wissenschaftlichen Schreibkompetenz von Studierenden in der Wissenschaftssprache Deutsch
Lebensweltliche Mehrsprachigkeit prallt an deutschen Hochschulen auf institutionelle Mono- bzw. Bilingualität. Viele Universitäten haben englischsprachige Studiengänge eingeführt, so dass neben dem Deutschen vielfach auch Englisch Prüfungssprache ist. Die sprachlichen Anforderungen sind daher in der Entwicklung der wissenschaftlichen Schreibkompetenz zu berücksichtigen. Das von mir entwickelte sprachensensible Kompetenzmodell wissenschaftlichen Schreibens differenziert zwischen verschiedenen Anforderungsbereichen des Schreibens – prozessuale, textuelle, sprachliche, sprachformale und mediale – und verbindet diese mit den einzelsprachlichen Anforderungen der Textproduktion sowie mit dem sprachlichen Reservoir und literalen Erfahrungen der Schreibenden. Das Modell bildet die Basis für die Beschreibung von wissenschaftlichen Schreibkompetenzniveaus. Diese sind erforderlich, um die institutionelle Seite der Entwicklung der Schreibkompetenz von Studierenden beleuchten zu können. Denn hier zeigt sich ein blinder Fleck in vielen Curricula: Der Nachweis sprachlicher Fähigkeiten auf einem bestimmten Kompetenzniveau ist eine Hürde der Zulassung zum Studium. Die wenigsten Curricula sind sprachsensibel. Das bedeutet, dass in Lehrveranstaltungen sprachliche Aspekte des Lernens nicht thematisiert werden.
Hier zeigt sich ein Dilemma, das im Vortrag näher erläutert wird: Denn eine zunehmende Internationalisierung der Hochschulen bei gleichzeitiger zunehmender sprachlicher Heterogenität der Studierendenschaft erfordert eine verstärkte Einbeziehung sprachlicher Aspekte in die Lehre. Deshalb bedarf es einer Debatte an Hochschulen, um den Stellenwert von schriftsprachlichen Kompetenzen im Studium im Kontext von individueller Mehrsprachigkeit und institutioneller Bilingualität und der Verantwortung der Institution, ihren Studierenden den Erwerb dieser Kompetenzen durch entsprechende Angebote zu ermöglichen. In meinem Vortrag werde ich entsprechende Fragen aufwerfen und Umgangsszenarien skizzieren.
Plenarvortrag: Donnerstag, 18. August 2022, 9 Uhr
Ort: Universität Wien Hauptgebäude (HG), Hörsaal 32 und Online